Wenn ein Symposium für eine doch relativ kleine Zielgruppe – eben Online-Drucker – fünf Wochen vor Beginn komplett ausgebucht ist, trifft das Thema offensichtlich den Nerv der Branche, elektrisiert Drucker aus ganz Europa und bescheinigt dem Leit-Event der Online-Print-Branche eine Qualität, die aus bisherigen Teilnehmern Wiederholungstäter macht.
Diese (und auch neue) Besucher erlebten ein höchst abwechslungsreiches und intelligent zusammengestelltes Programm, denn das Motto „Agile Geschäftsmodelle – Herausforderung Wachstum“ war an sich schon eine Herausforderung. Das Ziel, neue Geschäftsmodelle im E-Business Print vorzustellen und eine Plattform zum Diskurs zu bieten, wurde dennoch voll und ganz erreicht.
Es gab Antworten auf drängende Fragen, auch wenn sie nicht plakatiert wurden. Man durfte also auch gerne schon einmal zwischen den Zeilen lesen. Bei der Keynote von Benny Landa etwa. Du bist einmalig – wie alle anderen auch.

Ich kenne Benny Landa, seit er 1993 auf der Ipex in Birmingham seine erste Digitaldruckmaschine, die Indigo E-Print 1000, vorstellte und wo er seine Vision in dem bemerkenswerten Satz zusammenfasste: „Alles was digitalisiert werden kann, wird digital werden. Und Print ist keine Ausnahme.“ Es bedarf keiner Diskussion, dass er recht behalten hat. Dieser Satz gilt heute mehr denn je – und er trifft zudem den Kern von Online Print.
Seine Keynote auf dem Online Print Symposium war allerdings mehr als eine Vision. Sie war, wenn man so will, ein Vermächtnis. Ein Vermächtnis dessen, was sein Leben prägte und dem, was ihn noch heute antreibt. Schließlich ist er nicht mehr der Unternehmer, der vor 23 Jahren die Fachwelt mit seiner Vision vom Digitaldruck faszinierte, auch nicht mehr der, der vor vier Jahren mit seiner Nanotechnologie die Besucher der drupa fesselte – er ist, was man in der Politik einen „Elder Statesman“ bezeichnen würde: gereift, klug und weise.
Er hat die Branche mit dem Virus Digitaldruck infiziert, er hat Indigo groß gemacht, hat Indigo 2002 an HP verkauft und damit sicher auch viel Geld verdient. Doch er hatte vorher auch viel Geld und Durchhaltevermögen benötigt. „Heute habe ich das Geld und die Zeit, was ich damals nicht hatte“, sagte Benny Landa. So hat er nach Indigo und HP ein neues Projekt gestartet, hat die Landa Labs gegründet und gibt viel von dem zurück, was er durch seine 800 Patente und Erfindungen eingenommen hat. Er finanziert junge Menschen und Unternehmen in Israel, er forscht und entwickelt noch immer, ihn fasziniert die Nano-Welt der kleinen Partikel und hat bei seinen Studien irgendwann erkannt, dass diese auch für das Drucken interessant sein könnten. Gut 20 Jahre nach seiner ersten Indigo will er die Branche erneut mit einer neuen Technologie, der Nanographie, verändern, um dem Digitaldruck endgültig zum Mainstream zu verhelfen.
Doch all das hat er in seiner Keynote eher in den Hintergrund gestellt. Er hat seine eigene Geschichte, die Geschichte seiner Familie, sehr ergreifend und sehr detailliert geschildert. Und wenn Benny Landa, in diesem Jahr selbst 70 Jahre alt, in Erinnerung an seinen Vater vielleicht einer Träne nahe war – er hat aus den Erfahrungen, die er als junger Mensch und im Laufe seines Lebens gemacht hat, die Gewissheit abgeleitet, dass es bis zum Erfolg Beharrlichkeit und Ausdauer, Leidenschaft und Risikobereitschaft braucht. Auch eine ausgeprägte Fehlerkultur. „Man muss eigene Fehler machen, darf aber die Fehler anderer nicht wiederholen“, riet Benny Landa. Denn neue Ideen, Träume, die verwirklicht werden sollen, verlangen auch neue Wege, die bisher noch niemand gegangen ist. Und wenn Benny Landa von Improvisieren, Erfindergeist und praktischen Ideen erzählte – es waren allesamt agile Geschäftsmodelle. Und er gab den Teilnehmern des Symposiums noch einen Rat seines Vaters mit auf den Weg, der zu ihm sagte: „Benny, vergiss nie, dass Du einmalig bist. So wie alle anderen auch!“
Märkte entwickeln
Was bei Benny Landa’s Keynote ebenso deutlich wurde: Ein neues Produkt oder ein neues Verfahren wird erst dann zum Erfolg, wenn es vom Markt akzeptiert wird. Märkte entwickeln sich aber nicht von selbst, Märkte müssen entwickelt werden. Diese Aufgabe kann man nicht den Kunden überlassen. Oder gäbe es dann heute etwa die Eisenbahn, Flugzeuge oder das Auto? Damals, als die Pioniere mit ihren Erfindungen die Grundlage für die heute nicht mehr wegzudenkenden Mobilität der Menschheit schufen, wünschten sich die Menschen keine Lokomotiven, Flugzeuge oder Autos, sondern schnellere Pferde. Und keinen Deut anders war es bei Benny Landa’s Digitaldruck und so ist es wohl auch bei Online Print.
Online Print war kein konkretes Verlangen der Kunden. Sie haben es auch nicht gefordert. Aber es lag vielleicht ein latentes Bedürfnis in der Luft, als die ersten Online-Drucker auf den Plan traten. Denn die Menschen hatten sich bereits daran gewöhnt, Hotelzimmer, Bahn- oder Flugtickets online zu buchen. Und auch handfeste Produkte ließen sich online kaufen. Naheliegend also, dass auch clevere Drucker die neuen Chancen des Internet erkannten und die immer leistungsfähiger werdenden Computer- und IT-Technologien für ihr neues Geschäftsmodell einsetzten.

Markt-Entwicklungen
Doch es war beileibe kein Spaziergang. Bis 2005 galten Online-Drucker als die „Bad guys“ der Druckindustrie, die Schuld am Preisverfall von Drucksachen seien. Und die Drucker fürchteten diesen Wettbewerb. Das änderte sich nicht schlagartig, doch ab 2006 lässt sich so etwas wie eine Transformation des Marktes erkennen. Neue Angebote erschlossen neue Abnehmermärkte und der Wettbewerb unter den Online-Druckern wurde härter. Trader und Broker haben seit 2013 zunehmend Erfolg, die Geschäftsmodelle sind nicht mehr starr, sie werden agiler, sind mehr fokussiert auf das Marketing und nicht mehr nur auf die Produktion. Dabei entwickelt sich zusehends das, was Cimpress-CEO Robert Keane im letzten Jahr auf dem Online Print Symposium „Coopetition“ nannte – die Kooperation unter Wettbewerbern.
Dennoch sind all diese Entwicklungen nur Teilaspekte der raschen Entwicklung im E-Business Print. Denn die digitale Transformation ergreift jeden. Und Online Print ist der treibende Faktor dieser Transformation innerhalb der Druckindustrie, weil Wettbewerb und Kostendruck zur schnelleren Transformation zwingen. Drucker, die ihre Kunden bei der Transformation unterstützen, werden als Partner innerhalb der Wertschöpfungskette verstanden. Drucker ohne Online-Angebot bleiben am Ende der Wertschöpfungskette.

Das ist auch der Grund, warum die Anzahl der Online-Print-Shops weiter wächst: Etwa 1.950 Shops bieten in Deutschland, Österreich und der Schweiz heute Drucksachen und personalisierte Waren online an. Wobei die Anzahl der Partnershops großer Anbieter die tatsächliche Zahl der rund 250 relevanten Shops verfälschen. Nach den von uns ermittelten Marktzahlen wachsen auch die Umsätze von Online Print weiter – wenn auch geringer als prognostiziert. Grund ist eine gewisse Stagnation bei Shops der 1. Generation, sowie Wachstum der Top-5-Anbieter auf Kosten der mittleren und kleinen Anbieter. Dennoch sind die 2,6 Mrd. € der Open Shops eine nicht zu unterschätzende Größenordnung.
Rechnet man die vielen Tausend Closed Shops dazu (wir gehen von aktuell 6.100 Shops aus), die 2016 geschätzte 4,1 Mrd. € erwirtschaften, bewegt sich das Volumen online getriebener Angebote bei über 6,7 Mrd. € und wird gegenüber 2015 um knapp 10% steigen. Damit werden rund 30% aller Print-Umsätze in D/A/CH online generiert. Der von Dr. Christan Maas anderntags erwähnte „Digitale Graben“ zwischen kleineren Online-Druckern und den Top-5 lässt sich ebenfalls beziffern: Während die Top-5 voraussichtlich um 22% – von 1,23 Mrd. € auf 1,5 Mrd. € Umsatz wachsen, wandern einige kleinere Anbieter weiter in den Closed-Shop B2B-Sektor ab und werden dort am Wachstum teilhaben. Grund hierfür ist vor allem, dass die Services der „Großen“ attraktiver angeboten werden und die Preissituation sich für die kleineren Anbieter eher negativ gestalten wird. Wobei „klein“ hier nur eine verhältnismäßige Größenordnung ist, da wir immerhin von Unternehmen unterhalb der 80 Millionen Euro Umsatz sprechen.
Trends
Der Boom bei der Mass Customization wird die Branchenentwicklung weiter beschleunigen. Davon bin ich überzeugt. Daneben sehen wir bei den Print-Discountern (Trader) das stärkste Wachstum. Die kaufen günstig bei „Markenanbietern“ ein, um die Produkte mit definierter Marge wiederum günstig zu verkaufen. Dabei konzentrieren sich die Trader auf Marketing und Preisoptimierung. Wie im Lebensmittelhandel. Die Frage ist allerdings, wie lange sich solche Discounter-Modelle durchhalten lassen?
„Denn zu den Top-Trends im Online Print zähle ich nicht, billig einzukaufen und zu verkaufen, die Trends sind Mass Customization, Coopetition, Cognitive Commerce, Mobile Business und – man höre und staune – Highend Print. Wobei diese fünf Trends jeweils in einem gewissen Zusammenhang zu sehen sind.“ – Bernd Zipper
Dass Produkte bei der kundenindividuellen Massenproduktion eine Steigerung ihrer Wertigkeit erfahren, ist kein Geheimnis. Durch die Personalisierung einer in Massen hergestellten Dose für 87 Cent wird auf einmal ein Produkt für 10 Euro. Da dies ebenso auch für Verpackungen, Werbemittel, Bücher oder bedruckte Textilien gilt, kann ich nur raten, entsprechende Konzepte auch im Online-Print-Business umzusetzen. Dabei kann eine Zusammenarbeit über Wettbewerbsgrenzen (Stichwort: Coopetition) hinaus durchaus hilfreich sein.

Alles was „viereckig“ und „Standard“ ist, wird auch künftig günstigst produziert und verkauft werden. Gleichzeitig finden wertige Highend-Produkte ihre Abnehmer, weil bei den Kunden eine „Billig-Müdigkeit” identifizierbar ist. Das macht den Absatz hochwertiger Drucksachen möglich, wie es beispielsweise bei Letterpress der Fall ist. Hier kommt es nicht auf den günstigsten Preis an, sondern auf eine möglichst ausgefallene, individuelle Drucksache. Womit sich der Kreis zur Mass Customization schließt.
Besser werden
Doch auch das Wissen um aktuelle Trends nutzt nur wenig, wenn das seit Jahren im E-Commerce Gelernte selbst von Marktführern im Onlinedruck kaum eingesetzt wird. So ist etwa der Trend zu Mobile unstrittig, was zahlreiche Untersuchungen nahelegen. Kunden wollen auch unterwegs bestens informiert sein und nutzen ihre Smartphones zur Kaufvorbereitung. Online-Printer unterschätzen diesen Trend jedoch massiv.
Ohnehin müssen wir besser werden. Scheinbar ist es aber einfacher „billig” zu verkaufen, als Verfahren aus dem E-Commerce vernünftig einzusetzen. Optimierungspotential besteht bei nahezu jedem Online-Shop. Oftmals vermisse ich eine intelligente Nutzung der E-Business-Mechanismen. Die Lösung könnte eine Erweiterung der klassischen Marketing-Lehre sein: Erfolgreich sind Anbieter, die die Formel Preis + Produktgüte + Marketing = Absatz und Profit nutzen. Noch erfolgreicher werden die Anbieter mit der Zukunftsformel: Preis + Produktgüte + Marketing + E-Commerce = dauerhafter Absatz mit kalkulierbarem Profit.

Cognitive Commerce
Ach ja, da gibt es ja noch den Trend Cognitive Commerce. Ganz grob ist darunter zu verstehen, die bestehenden Daten besser zu nutzen. Es liegt nicht etwa daran, dass die falschen oder zu wenige Daten vorliegen, aber der richtige Umgang mit diesen Daten wird immer wichtiger. So müssen moderne Analysemethoden eingesetzt werden, um Trends zu erkennen, Realtime-Personalisierungen ein Produkt virtualisieren sowie Nutzungsverhalten und Dialog mit dem Kunden richtig analysiert werden. Nur das führt schließlich zu einer Erhöhung der Kundentreue. Im Klartext: Nur der dauerhafte Dialog mit den Kunden kann zu Anregungen für neue Produkte führen und lässt ein sich veränderndes Kundenverhalten frühzeitig erkennen.
Dieser zweifellos recht erklärungsbedürftige Trend wird im Online-Business aber sicherlich noch für Gesprächsstoff sorgen. Schließlich geht es hierbei um eine gehörige Portion Psychologie, bei der die mentalen Prozesse eines Individuums wie Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche und Absichten untersucht, analysiert und interpretiert werden müssen.
Auf dem Weg zum digitalen Einkaufserlebnis
Das gilt ganz besonders vor dem Hintergrund, dass E-Commerce am weltweiten Handelsvolumen heute einen Anteil von 8% hält, der aber bis 2025 laut der Studie „Global E-Tailing“ 40% wächst. Welche Treiber dahinter stehen, erläuterte Prof. Dr. Bela Mutschler in seinem Beitrag in München und nannte dabei vor allem drei Bereiche: Marktdurchdringung (hierbei geht es um Produkte, Märkte, Zugänge, Reichweiten, Zielgruppen etc.), Professionalität (bei Produktdarstellung und -informationen, Delivery sowie Sicherheit) und Innovation (wie Mobile Shopping, Apps, Technologien wie AR, Payment etc.). Wobei er dem Payment genauso große Bedeutung beimisst wie Technologien der Kategorie Virtualität und Augmented Reality.
Dabei gibt es für Prof. Mutschler heute kaum mehr unbesetzte Nischen im Markt, wie er an zahlreichen Beispielen erläuterte. Zielsetzung ist heute die Spezialisierung und Fokussierung mit dem Blick auf das Kundenverhalten: Besucher sollen im Shop bleiben. Damit wird Kundeninteraktion (siehe auch Cognitive Commerce) immer wichtiger – auch via Social Media. Deshalb gab er den Sympoiums-Teilnehmern noch fünf Tipps mit auf den Weg, wie sie die Zukunft des E-Commerce ganz sicher verpassen könnten: „Trennen Sie bei allem was Sie tun, konsequent zwischen Online und Offline. Betrachten Sie Online-Aktivitäten als nicht erfolgskritischen Teil Ihres Geschäfts. Diskutieren Sie weiterhin lange und ausführlich über die richtige Online-Strategie, ohne jemals etwas auszuprobieren. Betrachten Sie Online-Investitionen ausschließlich als Treiber für Umsatzsteigerungen. Gehen Sie davon aus, dass die Zukunft erst übermorgen beginnt, dass Sie also ganz viel Zeit haben.“
Raus aus der Komfortzone
Auch wenn der Begriff „Mass Customiziation“ zurzeit vielleicht etwas stark strapaziert wird und der eine oder andere Zweifel an diesem Trend äußern mag, gibt es Beispiele die beweisen, dass Kunden „Mass Customiziation“ sehr wohl verstehen und „lieben“.
Mymüsli, einer der Pioniere im Bereich der „Food-Individualisierung“, ist ein solches Beispiel. Bei mymüsli kann sich der Kunde im Internet sein persönliches Müsli nach eigenem Geschmack und unter Berücksichtigung von Vorlieben oder Allergien zusammenstellen. Das so kreierte Müsli wird exakt nach den Kundenvorgaben gemischt und in einer Dose geliefert. Anfangs ein reines Online-Geschäft, finden sich Müsli-Mischungen mittlerweile auch fertig abgepackt in diversen Supermarktregalen und in eigenen Müsli-Läden. Auch international ist die Idee ein Erfolg, mymuesli expandiert in fünf weitere Länder und beschäftigt rund 600 Mitarbeiter.
Doch mymüsli ist nicht stehen geblieben, sondern hat mit der Dose als „Lebensmittelverpackung“ abermals Pioniergeist bewiesen. Nicht nur das Müsli, auch die Dose kann individualisiert werden. Der Kunde wählt dabei eigene Bilder, Texte und Farben – und die Dose wird direkt, personalisiert und live am Point-of-Sale gedruckt. Gesteuert wird die Druckanwendung via Web-to-Print-Tool und ist damit ein hervorragendes Beispiel, wie E-Business Print den Kunden im Netz und vor Ort zu nutzen sein kann.
Die Erfolgsstory dieser „verrückten Idee“ ist geradezu unglaublich. Max Wittrock, CEO und einer der drei Gründer von mymüsli, stellte auf dem Online Print Symposium aber nicht nur die Geschichte des 2007 gegründeten Unternehmens vor, sondern fesselte die Teilnehmer mit seinem Vortrag, den er mit der Headline „Raus aus der Komfortzone“ überschrieb. Dabei verzichtete er auf die üblichen Charts, PDF- oder Powerpoint-Präsentation, und bewegte sich „raus aus der Komfortzone“, indem er seine Gedanken mit handgeschriebenen Plakaten unterstützte.
Und er tat auch nicht so, als sei mymüsli generalstabsmäßig geplant und zum Erfolg geführt worden, sondern erzählte von Zufällen, Niederlagen, Misserfolgen und auch vom „Bauchgefühl“, das man bei vielen Entscheidungen haben müsse. „Man muss einfach auch einmal etwas ausprobieren“, sagte Max Wittrock. „Auch wenn die Marktforschung das Gegenteil sagt und auch die Kunden nur wenig davon halten.“
„Durchhaltevermögen“ war eine der Disziplinen, die Wittrock seinen Zuhörern empfahl, wenn sie neue Wege beschreiten wollen. Womit ein roter Faden zwischen seinem Vortrag und der Keynote von Benny Landa unverkennbar wurde: Da rennt man los, von einer Idee besessen, weiß aber nicht, wohin die Reise geht. Wenn man trotz der unvermeidbaren Irrwege, Sackgassen und Neustarts dennoch sein Ziel erreicht, ist Erfolg auch verdient.
Stolperfallen im internationalen E-Commerce
Um Online-Drucker erst gar nicht in Sackgassen laufen zu lassen, bot Franz Schlickum, Vice President Digital Goods bei der asknet AG, dem Publikum einen systematischen Check, was bei einer angestrebten Internationalisierung zu beachten ist und wo die Stolperfallen sein können. Das sind eben nicht nur die Entfernungen, unterschiedliche Währungen oder Sprachen, sondern die jeweils lokalen oder nationalen Bedingungen und Befindlichkeiten. Und dazu muss man gar nicht erst weit reisen, das beginnt schon hinter der Schweizer Grenze. In diesem Land begegnen wir bereits einer anderen Mentalität, einer anderen Währung, es gibt andere Gesetzgebungen und in diesem kleinen Land werden vier Sprachen gesprochen.
Eine internationale Expansion ist demnach auch für Unternehmen, die sich bereits einen E-Commerce-Kanal aufgebaut haben, eine Aufgabenstellung, bei der zahlreiche Herausforderungen zu managen sind. Nach Aussage von Franz Schlickum sind dabei die Anpassungen an die Strukturen und Prozesse in der interne Organisation nicht zu unterschätzen. Und auch die Lokalisierung des Webshops ist eine Aufgabe, die weit mehr als eine reine Übersetzung erfordert. Wichtige Erfolgsfaktoren sind neben der möglichen Mehrsprachigkeit bei der Content-Pflege die marktspezifische Zielgruppenansprache. Dazu sollte man auch die Unterschiede beim Kaufverhalten kennen.
Zudem sind die lokalen Bedingungen im internationalen Marktumfeld meist auch Neuland beim Verbraucherrecht, Datenschutz, den Nutzererwartungen und nicht zuletzt beim Bewerten der Wettbewerbslandschaft samt lokaler Konkurrenz. Ganz wesentlich sind die Fragen der Finanzen, der Abrechnungs- beziehungsweise Zahlprozesse, die entsprechend der lokalen Nutzererwartungen dargestellt und eingebunden werden müssen. Andere Steuersätze sind zu beachten, Währungsrisiken zu bewertet sowie abzusichern und die Währungsströme zu optimieren.
Vor allem aber gilt es zu bedenken, wie die Logistik organisiert wird. Schließlich geht es nicht nur um das Zusenden der Ware, es kann ja auch zu Rücksendungen kommen. Franz Schlickum nannte in diesem Zusammenhang das Outsourcing als risiko- und aufwandsmindernde Option sowie kurze Lieferzeiten als wesentliches Erfolgskriterium. Denn dem Käufer sei es egal, wo der Stammsitz des Online-Partners ist. Er mache keinen Unterschied zwischen dem lokalen oder einem internationalen Anbieter.
Die Herausforderungen sind allesamt lösbar. Aber eine Entscheidung über das Geschäftsmodell Online-Print mit Internationalisierung stehe in direkter Abhängigkeit von der Risiko- und Investitionsbereitschaft des Unternehmens, resümierte Franz Schlickum.
Trends im B2B-Online-Handel
Zu den Risiken im Online-Business gehört sicherlich auch die Schnelllebigkeit der Märkte. Im letzten Jahrzehnt hat sich eine völlig neue Dynamik entwickelt, die sich wohl noch weiter beschleunigen und zu einer fortschreitenden Konsolidierung im Handel führen wird. Am Beispiel einiger Unternehmen machte Lars Schade, Geschäftsführer der Mercateo Service GmbH, diese Schnelllebigkeit deutlich.
„Vor sieben Jahren war Nokia alleiniger Marktführer bei Mobile Phones – weg. Quelle, einst größter Versandhändler auch im Internet – weg. Amazon, der vermeintliche Buchhändler aus Seattle, ist längst zum Logistiker geworden und bereitet DHL zunehmend Sorgen“, führte Schade aus.
Das gelte zwar für den B2C-Bereich, aber auch andere Märkte müssten hellwach sein. Der Handel neige dazu, die Trägheit des B2B-Marktes zu überschätzen! „Dieser Markt gibt dem Handel zwar offensichtlich etwas mehr Zeit, aber auch das befindet sich in einem dynamischen Veränderungsprozess. Weiter steigende Transparenz und erhöhter Margendruck tun das Übrige“, sagte Schade. Das führe auch im Mittelstand zu signifikanten Prozessoptimierungen im Einkauf. Die Digitalisierung könne dabei aber nur als ersten Schritt verstanden werden, die Vernetzung sei die logische Konsequenz daraus. Aus Insellösungen würden zusehends komplexe Netze, die von Big Data überlagert würden, stellte Schade fest. „Bei dieser erkennbaren Weiterentwicklung der Marktplätze wird Google für den B2B-Handel als Plattform immer weniger relevant“, zog er sein Fazit. Denn durch die Digitalisierung der Beschaffungsprozessen entstünden neue, für den Handel relevante B2B-Online-Marktplätze und -Plattformen.
Think global. Act local.
Eine solche neue Plattform strebt auch Ali Jason Bazooband an. Der Vorstand Innovation/Marketing bei Unitedprint will eine erfolgreiche Internationalisierung und Expansion durch lokale Partnershops realisieren. Nach seinen Vorstellungen müssen Unternehmen nicht immer selbst im Ausland tätig sein, um dorthin zu verkaufen. Ali Jason Bazooband zeigte in seiner Präsentation die Möglichkeiten für lokale Drucker, kurzfristig mit eigenen Shops, internationaler Print-Anbieter werden zu können und somit neue Zielgruppen zu erreichen.
„Unitedprint Shop Services heißt das Programm, bei dem sich bereits über 20.000 Partner registriert haben. Es kombiniert das Know-how sowie das Portfolio eines Top-Online-Printers mit der Kundennähe und den Services lokaler Anbieter“, sagte Ali Jason Bazooband. „Der eigene Web-to-Print-Onlineshop wird jedem Partner kostenfrei zur Verfügung gestellt und ist dank dem FreeDesign-Editor für die Vermarktung im B2C-Markt aufgestellt. So bieten sich einhundertprozentige Chancen – bei Null Risiko!“ Sollte ein Partner hochwertige Produkte anbieten, damit aber noch nicht online sein, könne er dies mit seinem USS-Shop. „So kann er seine Produkte dem europaweiten USS-Netzwerk sowie dessen Kunden zur Verfügung stellen“, führte Bazooband aus.
Der Partner entscheide, welche Produkte er selbst produzieren möchte und welche er zum Beispiel an print24, der größten der Unitedprint-Marken, vergibt. So könne er seine eigenen Maschinen gezielt auslasten und das Angebot für seine Kunden auf einen Schlag auf das Hundertfache erhöhen. Die ersten nationalen sowie internationalen Partner seien mit ihren kostenlosen Unitedprint Shop Services (USS) Web-to-Print Shops inklusive mobiler Webseiten online und können ab sofort nicht nur Hunderte Druckprodukte vermarkten, ihnen stehen zudem auch Topseller aus den Produktlinien Textilprodukte, Fotoprodukte, Werbetechnik und Verpackungen zur Verfügung.
Und natürlich will auch Unitedprint davon profitieren. Wenn von den 20.000 registrierten Partnern nur 10% täglich für 80,00 Euro bei print24 drucken ließen, sei das ein Potenzial von 58,4 Mio. €, rechnete Bazooband vor. Die Rechnung könnte tatsächlich aufgehen. Denn von den 20.000 potenziellen Partnern sind 56% Reseller, bestätigte Ali Jason Bazooband auf Nachfrage.
Quo vadis Online-Payment?
Kontinuierlich kommen neue E- und M-Payment-Lösungen auf den Markt. Apple Pay und Android Pay sind in den USA gestartet und werden auch in Kürze nach Europa kommen. Samsung bietet NFC-Technologie für mobiles Bezahlen und auch PayPal wird neben seiner App auch kontaktloses Bezahlen am POS anbieten. Für ein anderes Konzept auf der Basis von QR-Codes hatte sich zum Beispiel die Otto-Tochter Yapital entschieden – und scheiterte. Doch auf welche Systeme muss man sich künftig einstellen? Welche Innovationen haben für den Bereich E-Business Print Relevanz? Wer wird das Rennen machen und was wollen die Kunden eigentlich?
Auf diese Fragen versuchte Dr. Ernst Stahl, Direktor von ibi research an der Universität Regensburg GmbH, eine Antwort zu geben. Dabei stellte er fest: „Der E-Commerce-Anteil steigt weiter, Kunden haben Verfahren im Internet und mobil eingeübt und schätzen gelernt, die Jungen werden älter, Lösungen des E-Commerce werden auch im stationären Handel verfügbar und durch mobile Geräte zunehmend unterstützt. Auch der Zahlungsverkehr ändert sich.“ Die Frage sei nur wann, durch welche Techniken und welche Anbieter?
Nach einer Untersuchung von ibi research wünschen sich Händler vor allem Banken und Kreditkartenfirmen als Anbieter von kontaktlosem Bezahlen. Aber Internet-Unternehmen wie Apple, Google, Amazon oder PayPal wird am ehesten zugetraut, solche Bezahlsysteme in den nächsten Jahren zu etablieren. Allerdings müssten sich die Zahlsysteme messen lassen. Die Kosten der Verfahren nannte Dr. Stahl als zentralen Maßstab. Innovationen müssten durch den Handel bezahlbar sein, sonst seien sie nur ein „Gimmick“.
Und die Zeitersparnis sei ein weiterer Maßstab. „Die Bargeldabwicklung ist mit Ausnahmen oft gar nicht so langsam. Zudem wird das Bargeld nicht verschwinden, da Anonymität ein hohes Gut ist“, sagte Dr. Stahl. „Beim mobilen Bezahlen kommt es auf die Umsetzung an. Kontaktlose Kartenzahlungen bis 25 Euro gibt es schon heute – und die ist sehr schnell.“
Die echte Killer-Anwendung für mobile Bezahlsysteme sei jedoch die Qualität, bei der die Usability beziehungsweise User-Experience eine erhebliche Rolle spielten. „Eine Freigabe per Fingerabdruck ist genial, die Vorteile der Biometrie liegen in der Schnelligkeit und es gibt kein Vergessen. Voraussetzung ist jedoch eine sichere und richtige Implementierung“, führte Dr. Stahl aus. Doch in den nächsten Jahren werde Deutschland kein Massenmarkt für M-Payment, da sich das Zahlungsverhalten in Deutschland nur sehr langsam ändere.
Tag 2 – Keynote: Hypothesen zu Online-Print
Der Wettbewerb in der Druckbranche wird weiter zunehmen, prophezeien verschiedene Quellen. In einer wettbewerbsorientierten Gesellschaft eigentlich keine Überraschung. Überfliegt man die Schlagzeilen der Fachpresse, entsteht allerdings der Eindruck, dass darauf vor allem mit neuen Maschinen reagiert wird. „In Zukunft wird sich jedoch nicht die Druckerei am Markt durchsetzen, die am schönsten und schnellsten druckt, sondern die, die am intelligentesten verkauft“, sagt Dr. Christian Maaß, Mitglied der Geschäftsleitung der flyeralarm Vertriebs GmbH.
Aber wie? In seinem Vortrag ging Dr. Maaß auf die wesentlichen Tendenzen in der Schnittmenge von Print und Online ein und zeigte mögliche Lösungsansätze mit einer steigenden Dominanz IT-orientierter und automatisierter Vermarktungsansätze. Er präsentierte diese Entwicklungen so facettenreich, dass man den Vortrag mindestens ein zweites Mal hätte hören müssen. Denn erstens ist Online-Print an sich schon ein extrem komplexes Thema und zweitens lassen sich visionäre Konzepte nicht mit gängigen Begriffen erklären. Dabei prallten zwei Welten aufeinander: Einmal der analytische E-Commerce-Experte Dr. Maaß und zum Zweiten Drucker, die sich eher vom Handwerk auf die Welt des Online-Print zubewegt haben. Die Präsentation war aber nicht alleine ein Exkurs in die Marketing-Welt der Zukunft, sondern bot auch handfestes.
So etwa, dass IT- und Datenstrukturen künftig im Vordergrund stehen und nicht Druckmaschinen. Die sind notwendig, aber lediglich Teil der Infrastruktur einer Online-Druckerei. Weit wichtiger ist nach den Ausführungen von Dr. Maaß das Beherrschen und Interpretieren der Kundendaten (siehe abermals Cognitive Commerce). Denn E-Commerce habe sich vom Verkaufskanal zu einem Geschäftsmodell entwickelt, das nun zum Teil eines Plattformsystems werde. Dabei würden Marketing-Entscheidungen zunehmend technischer Art sein und automatisiert werden. Dr. Maaß sieht darin ein völlig anderes Denken im Marketing und eine Notwendigkeit, agilere Strukturen auf Abteilungs- und Unternehmens-Ebene als neuen Steuerungsansatz einzuführen.
Wenn Online-Printer Technologie als Differenzierer sehen und leben, könnten sie noch größere Volumina vom Druckmarkt abgreifen, folgerte Dr. Maaß. „Die Marktchancen sind super“, sagte er. „Schließlich sind 80% des Druckumsatzes noch nicht online.“ Allerdings sieht er in diesem Markt nur Platz für vielleicht fünf ernsthafte Player.
Supply-Chain-Partnerschaften fördern
Einer dieser fünf ist ganz sicher Cimpress. 1995 durch Robert Keane gegründet, wuchs Cimpress permanent, indem das Produktportfolio standardisiert und Formate vereinheitlicht wurden, die auf „Do-It-Yourself“-Kunden ausgerichtet waren. Seit 2012 expandiert das Unternehmen durch Übernahmen anderer Online-Drucker mit betriebseigener Produktion. Mit den Zukäufen von Exaprint und WIRmachenDRUCK hat Cimpress nun zwei Unternehmen akquiriert, die auf ein wachsendes Netzwerk aus Lieferanten und Produktionspartnern setzen. Mit nunmehr 19 Marken, jede mit ihrem eigenen Leistungsversprechen an die Kunden, erzielt Cimpress heute rund 1,7 Mrd. $ Umsatz und unterhält Büros und Produktionsstätten in 20 Ländern rund um den Globus.
Im Zentrum der Aktivitäten des 6.500 Mitarbeiter zählenden niederländisches Unternehmens steht die kundenindividuelle Massenproduktion von Produktkategorien wie Werbemittel, Beschilderungen, klassischen Drucksachen, Fotobüchern, Werbeartikel, Bekleidung etc. In seiner Präsentation erläuterte Will Jacobs, Senior Vice President bei Cimpress, wie das Unternehmen Supply-Chain-Partnerschaften entwickeln will, um eine weitere Expansion von Cimpress zu ermöglichen. Jacobs leitet bei Cimpress den globalen Produktionsbetrieb und ist für die Lieferketten und Logistik in der Organisation zuständig. Dabei hat er auch die Verantwortung für die strategische Ausrichtung übernommen.
„Wir können nicht alles selbst produzieren“, sagte Jacobs. „Deshalb suchen wir und setzen auf Lieferketten-Partnerschaften“. Um diese Partner auf internationaler Ebene in den Cimpress-Verbund einbeziehen zu können, wurde eine eigene und offene Plattform geschaffen, mit der die Abwicklung der Druckaufträge von der Bestellung über die Dokumentenbearbeitung, die Herstellung und die Logistik bis hin zur Rechnungstellung optimiert werden soll. Dieses System soll ab 1. Juli die verschiedenen Marken und Partner miteinander vernetzen. Dabei sollen höchst unterschiedliche Produktionsstätten mit ebenso unterschiedlicher Spezialisierung für höchste Produktionsflexibilität sorgen. In welchen Dimensionen Cimpress dabei denkt, lässt die Aussage von Will Jacobs am Ende seiner Präsentation erahnen: „Die Kunden wollen nicht mehr warten. Vielleicht lassen sich auch Zeitzonen nutzen, um möglichst schnell zu liefern.“
Online-Print made in Denmark
Wenn beim Online Print Symposium schon recht breit über die Internationalisierung des Online-Print-Business diskutiert wurde, durften auch ausländische Kollegen nicht fehlen. So stellte Esben Mols Kabell, CEO und Mitbegründer von LaserTryk.dk, den größten Online-Drucker Skandinaviens mit 180.000 Bestellungen von 40.000 B2B-Kunden pro Jahr und einem Umsatze von 42 Millionen Euro vor. Kabell beschäftigt sich seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1999 mit der Entwicklung von Konzepten und Produkten wie Bookbox, einer innovativen Lösung für den On-Demand-Bücherdruck unter Nutzung eines bestehenden Vertriebssystems, und Brand Central, einer Order-Plattform, mit der es gelungen ist, einige der größten Unternehmen Dänemarks dazu zu bewegen, online zu gehen. Kabell zeigte in seiner Präsentation, wie die Kundenbindung durch einen Mix von Online-Bestellung und integrierter Markenpositionierung verstärkt werden kann.
The power One by One
Auch die Massen-Personalisierung bringt frischen Wind in das Druckgeschäft, in dem üblicherweise schon der Bruchteil eines Cents pro Exemplar darüber entscheidet, ob man einen Auftrag bekommt oder nicht. „Plötzlich gilt die Rechnung Selbstkosten + Minimalaufschlag = Verkaufspreis nicht mehr“, sagt Michael Todd. Für den irischen Druckunternehmer gilt, nachdem er in eine B2-Digitaldruckmaschine investiert hat, stattdessen die Gleichung für personalisierte Produkte: „Selbstkosten + Emotionen = Verkaufspreis“. Todd propagierte eine neue Denkweise und zeigte auf, worauf man sich konzentrieren sollte, um das emotionale Element eines Produkts zu steigern und dabei die Marge zu maximieren. Zusätzlich gab er einen Einblick in die speziellen Herausforderungen des Marktes, die Erwartungen der Verbraucher und die Bedeutung, die den Sozialen Medien dabei zukommen. Und auch die Erfahrung des direkten Kundenkontakts sprach er an, denn wenn bei der Personalisierung etwas schief läuft, nimmt es der Kunde am Ende sehr persönlich!
Strichcodes und 2D-Codes
Und was, wenn bei einem gedruckten EAN- oder QR-Code etwas schief geht? Darauf ging Dr. Andreas Kraushaar, Abteilungsleiter Vorstufentechnik bei der Fogra, ein. Denn die einwandfreie Lesbarkeit von Strichcodes und 2D-Codes sei eine wesentliche Anforderung an das Druckprodukt. Nicht selten übernähmen Druckdienstleister die Verantwortung für die Lesbarkeit. Mängel in der Lesbarkeit seien aber nicht nur für die Logistik in Online-Druckereien, sondern auch für die belieferten Kunden immer öfter ein K.O.-Kriterium.
Während die Lesbarkeit im Offset und tonerbasierten Digitaldruck im Wesentlichen gut beherrscht wird, stellt der Inkjet-Druck nach den Ausführungen von Dr. Kraushaar die Anwendung vor neue Herausforderungen. Dazu zählen Lesefehler oder große Schwankungen in der Lesbarkeit. In seinem Vortrag erläuterte er die Problematik und gab Praxistipps, wie in Vorstufe, Druck und in der Qualitätskontrolle Abhilfemaßnahmen aussehen können.
Warum PDF/VT Online Print verändern wird
Schließlich gab es bei der ansonsten eher „technik-armen“ Veranstaltung noch einen Beitrag, der (nicht nur) für Online-Drucker größte Relevanz hat, wenn es um das Thema Mass Customization geht oder auch um Services rund um 1:1-Marketing und Direct Mailings.
Martin Bailey, der vor mehr als zwanzig Jahren zu dem Unternehmen kam, das heute Global Graphics heißt und dessen Technikvorstand er heute ist, war an der Entwicklung des Harlequin-RIPs beteiligt und beteilgt sich bis heute aktiv an einer Reihe von Maßnahmen zur Festlegung von Normen – unter anderem als Vorsitzender des Ausschusses für CIP4 und ISO PDF/X. Derzeit arbeitet er in den ISO-Ausschüssen für die Weiterentwicklung der PDF- und PDF/VT-Normen.
Ebenso wie die PDF/X-Norm bestehende Best-Practice-Methoden festschrieb und Mechanismen zur Integration zusätzlicher Daten lieferte, soll die PDF/VT-Norm auf PDF/X aufbauen und auf die bewährte Vorgehensweise aufsetzen, erläuterte Bailey. Doch die Geschäftsmodelle zum variablen Datendruck unterscheiden sich deutlich von den meisten PDF/X-Arbeitsabläufen hinsichtlich der Akteure und deren Funktionen.
Nach Ansicht von Martin Bailey funktioniert die PDF/VT-Norm bereits, wird aber noch weiter vereinfacht werden müssen und hinsichtlich einiger Arbeitsabläufe noch verfeinert werden. Dennoch ist er zuversichtlich, dass PDF/VT künftig auch bei umfangreichen Dokumenten zu einer sicheren Produktion führen wird.
Wie viel Geld für eine Kundenakquise?
„Eine Druckveranstaltung, bei der nicht über den Druck gesprochen wird, finde ich schon bemerkenswert“, fasste Dr. Michael Fries Geschäftsführer und CEO der Onlineprinters Holding GmbH, in der abschließenden Diskussionsrunde zusammen. „Doch es ging eben um E-Commerce-Techniken und das richtige Verständnis dafür.“ Wer für wie viel Geld wie viele Kunden akquirieren kann, ist auch für Dr. Fries ein ganz zentrales Thema. „Das Drucken und die Fertigung sind wichtig, aber die E-Business-Techniken stehen ganz oben auf der Agenda. Das kann für kleinere Anbieter problematisch sein. Dafür können die aber auf Spezialitäten setzen, die nicht so einfach automatisiert und standardisiert werden können.“

Da kommt nämlich noch mehr! Denken wir nur einmal an Verpackungen, Etiketten etc. Und inzwischen ist der erste Letterpress-Drucker online. Hier werden noch weitere Nischen erschlossen, es wird auch ausprobiert und getestet. So hat flyeralarm mit dem 3D-Druck experimentiert und hört nun nach den gemachten Erfahrungen damit auf. Agilität eben. „Agil und dynamisch war die Druckindustrie aber schon immer“, ist Dr. Fries überzeugt. „Aber an der Produktion lässt sich so schnell nicht viel verändern. In der Software aber schon. Das muss man dann aber auch nutzen.“
Und welchen Einfluss hat die drupa auf Online-Print? Schweigen. Keinen? „Vielleicht auf die Betriebsmittel. Aber den Druck haben die Online-Printer ohnehin im Griff. Die große Herausforderung ist die Komplexität des Geschäftes“, sagte Dr. Fries. Und wenn sich klassische Modelle und Strukturen auflösen, muss man experimentieren, ausprobieren und agil operieren.
Von Trollen und anderen Störenfrieden
Noch was gelernt? Ja. Es gibt eine neue Krankheit: Nomophobie. „No mobile phone“ ist die neue Unverzichtbarkeit und die Angst der Smartphone-User vor einem leeren Aku – sagte zumindest Dr. Stahl. Für viele ein Albtraum, nicht mehr surfen, twittern und liken zu können.
Deshalb war für mich noch der Vortrag von Tina Halberschmidt ganz wichtig. Sie ist Social-Media-Redakteurin beim Handelsblatt und schilderte ihren Alltag. „In den sozialen Netzwerken passiert viel Gutes. Doch es gibt auch die dunkle Seite von Facebook und Co.: Hater, Trolle und böse Menschen treiben dort ihr Unwesen, wettern gegen Medien, schreiben Hasskommentare über Flüchtlinge, zerstören jede sachliche Diskussion“, sagte sie. Auf der anderen Seite stehen die Community-Manager. Früher lautete das Credo: Don’t feed the troll. In den Medienhäusern wird aber immer öfter zurückgetrollt oder gelöscht. Manchmal kann sogar eine Strafanzeige nötig werden.
Vielleicht ist das im Social Web der Online-Drucker noch nicht so ausgeprägt. Aber die Social-Media-Manager sollten sich durchaus damit beschäftigen, wie man mit unerwünschten Kommentaren, Trollen und anderen bösen Menschen umgeht.
Zum Schluss
Erstmalig wurde beim Online Print Symposium eine Veranstaltungs-App eingesetzt, die vor, während und nach dem OPS 2016 alle wichtigen Informationen der Veranstaltung und Partner bereithält und über die auch kommuniziert werden kann. So fanden die Macher der Online-Print-Industrie nicht nur im Rahmen des 4. Online-Print Symposiums ihre Community und ihr Netzwerk. Sie können über die App auch nach der Veranstaltung noch „networken“, inspirierende Lösungen, Ideen und Visionen austauschen. Zumindest bis zum April des nächsten Jahres.
Das nächste Symposium findet vom 6. bis 7. April 2017 statt.